Konzept des Selbstorganisierten Stadteilzentrum „Blauer Block“
Wir, die Initiative communal west, haben heute am 06. September 2013, das ehemalige Sozialrathaus in der Kriftelerstraße 84 geöffnet. Hier wird ein selbstorganisiertes Stadtteilprojekt entstehen.
Bereits seit über einem Jahr stand das Haus, das wir heute geöffnet haben, leer. Es ist im Gallus zentral gelegen, ausreichend groß und bietet variable Nutzungsflächen. Wir haben uns dieses Haus angeeignet und setzen damit unsere Arbeit im Viertel fort. Bereits mit der Eröffnung des „Blauen Block“ in der Schwalbacherstraße 45 versuchten wir, ein selbstorganisiertes Stadtteilprojekt im Gallus zu gründen. Obwohl das Haus seit Jahren leersteht und verfällt, waren weder die Eigentümer_innen noch die Stadt zu Verhandlungen bereit. Nach wenigen Stunden wurde der Konflikt durch eine polizeiliche Räumung „gelöst“. Seitdem steht das Haus wieder ungenutzt leer.
Das Stadteilprojekt, das in diesem Haus entstehen wird, soll partizipative Angebote für Stadtteilbewohner_innen ermöglichen, die es im Gallus in dieser Form bisher nicht gibt. Unser Konzept beinhaltet eine offene, basisdemokratische Organisationsform, die allen Interessierten zugänglich ist und tatsächliche Mitbestimmung in der Ausgestaltung ermöglicht. Diese Struktur wird von einem offenen Plenum getragen. Diesem obliegt die Entscheidung über und Evaluation von Angeboten, die Dokumentation von Veranstaltungen sowie die Konzeption der weiteren Entwicklung des Projekts. Das heterogene Gründungsteam aus Prekarisierten unterschiedlichen Alters, Schüler_innen und Studierenden wird die eigenen Erfahrungen aus Arbeits- und Lernbetrieben kritisch einfließen lassen, um einen Raum zu schaffen, der eine Alternative zu den kontrollierten Räumen wie Schule, Universität, Arbeitsplatz oder auch Jugendzentren der Stadt darstellt.
Zahlreiche Projekte sind in Vorbereitung. Neben dem Versuch, Prozesse des gegenseitigen Austausches und der Selbstorganisierung zu ermöglichen, werden wir ein alternatives Kulturprogramm für Jugendliche etablieren (Theater, Leseabende, Tanz- und Musik-Workshops). Des Weiteren soll es exklusive Angebote für Mädchen, Frauen, Trans und Queer geben, die es ihnen ermöglichen, den Raum im gegenseitigen Austausch zu gestalten und eigene Themen in den Vordergrund zu stellen. Perspektivisch ist eine zwei mal jährlich stattfindende Veranstaltungsreihe zu aktuellen politischen Themen geplant. Die Einrichtung einer Bibliothek, Fahrradwerkstatt und Kooperationen mit Rechts- und Mieter_innenschutzberatung sind bereits in Vorbereitung.
Wir werden in diesem Gebäude ein selbstverwaltetes Café einrichten. Dieses steht auch für unsere Diskussionsveranstaltungen, Ausstellungen etc. zur Verfügung. Des Weiteren stehen die Räume für Sport und Bandproben, Ateliers, Werkstätten und Stadteilgruppen offen. Die Vernetzung und Zusammenarbeit mit im Viertel bestehenden Projekten und regionalen Akteur_innen, sowie bundesweiten Initiativen sind für unsere Vorhaben von zentraler Bedeutung.
Das Gallus erfährt derzeit drastische Veränderungen. Im Zuge der Entstehung des Europaviertels wurde es durch seine unmittelbare Nähe zu diesem auch für diverse Sanierungs- und Neubauprojekte attraktiv. Galt es lange Zeit als Arbeiter_innen- und Problemviertel, wird nun versucht, das Gallus dem neu geschaffenen Europaviertel anzugleichen. Der Neubau an Wohnfläche konzentriert sich auf großflächige Eigentsumswohnungen – unerschwinglich für die Menschen, die in den Vierteln bereits vor den Umbaumaßnahmen lebten und leben. Die Mieten steigen und erschwingliche Kultur- und Tagesgestaltungsangebote treten in den Hintergrund. Auf lange Sicht schlägt die so genannte „Aufwertung“ dann um, wenn den Menschen ihre materielle Grundversorgung durch gesteigerte Mietpreise und Wohnungskündigungen zu Sanierungszwecken entzogen wird. Bereits jetzt werden Zwangsräumungen immer häufiger. Auch in dieser Entwicklung drückt sich der Widerspruch zwischen den Bedürfnissen der Menschen und den Kapitalinteressen aus. In Frankfurt stehen schätzungsweise mehr als 2 Millionen qm Büroraum leer, während an anderer Stelle günstiger Wohnraum konsequent verknappt und zurückgehalten wird. Der Magistrat der Stadt unterstützt diese Politik der sozialen Ausgrenzung und Verdrängung aktiv. Neben der konsequenten Zerschlagung politischer Projekte, wie dem Institut für vergleichende Irrelevanz (IvI), kommen die politischen Parteien ihrem gebetsmühlenartig wiederholten Versprechen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, nicht nach.
Das am 22. April diesen Jahres geräumte IvI war der Versuch einer höchst heterogenen Gruppe, diese Verhältnisse kritisch zu reflektieren, und eine alternative Theorie und Praxis zu leben. Doch das Institut verschwand nicht einfach mit seiner Räumung. So sehen auch wir uns als Teil des ehemaligen Institutes und sind doch nicht seine Fortführung. Auch wir haben uns heute kollektiven Raum angeeignet. Hier wollen wir mit denjenigen Leuten, die unter der alltäglichen Demütigung leiden, ein selbstorganisiertes Stadtteilzentrum aufbauen, um diesem Zustand theoretisch und praktisch etwas entgegensetzen. Auch aus diesem Grund ist das ehemalige Sozialrathaus ein ideales Gebäude. Bis vor einem Jahr war dieser Ort Ausdruck für Stigmatisierung und Sanktionierung. Wir setzen dem einen Ort der Mitbestimmung und Selbstermächtigung entgegen.